Meinen ersten Kontakt zu Roger Willemsen – und daran kann ich mich nicht mehr gernau erinnern – hatte ich über das Fernsehen. Ich sah den gutgelaunten Lockenkopf nett auf 3sat plaudern und war ob seiner Eloquenz und seiner Unterhaltsamkeit auf der Stelle angetan.
Erst viel später jedoch kam ich ihm näher. So nah zumindest, wie man einem Autor kommen kann: Ich las eines seiner Bücher. Dieses wurde 2002 im Katalog des Eichborn Verlages mit dem Satz angekündigt: „Roger Willemsen entdeckt ein Deutschland, das uns allen bekannt zu sein scheint und deshalb unbekannt zu werden droht“. Es handelt sich um das Buch „Deutschlandreise“. Als ich einige Wochen später mein Rezensionsexemplar in den Händen hielt war meine Erwartung bereits unermesslich gestiegen – und sie wurde während des lesens mitnichten enttäuscht. Geradezu enthusiastisch huldigte ich meinem neuen Freund Roger Willemsen, sprach über ihn und sein Buch in meinem Freundeskreis. Schließlich wurde Deutschlandreise eines meiner absoluten Lieblingsbücher. Ich kann heute ganze Passagen daraus zitieren.
Wer mich kennt, weiߟ, dass ich mir für gewöhnlich nichts aus Hörbüchern mache, dass ich ihnen immer das Buch als solches vorziehen würde. Bei Roger Willemsens Deutschlandreise hat mich das Hörbuch allerdings gereizt. Ich wollte wissen, wie der Autor die Geschichten erzählt, wollte die Unterschiede in seiner und meiner Rezitation, seine Akzentuierungen – ja – erleben. Und das tat ich, zugegebenermaߟen oft. Bereits nach dem ersten Hören der zwei CDs war ich süchtig. Ich hörte die Lesung regelmäߟig, ganz oft nachts zum einschlafen in der Schleife. Roger Willemsen begleitete fortan mein Leben.
Und ich beschäftigte mich immer mehr mit ihm und seiner Literatur. Selbstverständlich las ich ältere Bücher wie „Der Selbstmord“ (seine unvollendete Habilitationsarbeit) und inzwischen auch viele aktuelle wie „Gute Tage“ oder „Unverkäufliche Muster“ –
Am 25. April 2007 war ich zu Gast im Mainzer Frankfurter Hof, wo Roger Willemsen mit seinem Kabarett-Soloprogramm zu Gast war. Zuvor hatte man schon einen Vorgeschmack auf 3sat bekommen können und las in der einen oder anderen Tageszeitung Randnotizen davon. Ich für meinen Teil war äußerst aufgeregt und voller Freude.
Doch so sehr ich ihn und seine Bücher schätze, ja – liebe: Sein Programm „Und du so…?“ ist eher durchschnittlich. Ein beliebiger Plauderabend mit wenigen originellen Anekdoten (manche kennt man schon aus den Büchern) und vielen Zitaten. Es war nett und Willemsen gut aufgelegt – dennoch schien die Kabarettbühne nicht sein natürliches Umfeld. Zuweilen wirkte er steif und manche Phrasen zu bemüht. Gerade das spontane Moment, die improvisiert-nonchalante Schlagfertigkeit, die man aus der einen oder anderen Fernsehlesung kannte, fehlte mir.
Zwar war das Publikum begeistert und die zwei Rentner neben mir stimmten überein, dass man – wenn man Willemsens Gedankengängen folgen möchte – genau hinhören und aufpassen müsse. Für mich, der die Jugend gerade hinter sich gebracht hat, brauchte es keine Anstrengung die Kalauer zu verstehen.
Erhellender Moment und Sternstunde zugleich: Nach dem Programm wurde den Zuschauern im Foyer die Möglichkeit gegeben sich Bücher oder Autogrammkarten signieren zu lassen. Darauf freute ich mich sehr. Und wartete darauf, mir das mitgebrachte Buch „Deutschlandreise“ signieren zu lassen und meinem Meister freundlich und dankbar die Hand zu reichen.
Als ich ihm gegenüber stand – er in einen roten Satin-Anzug gehüllt – konnte meine Aufregung nicht größer sein. Dennoch sprachen wir über meine oben genannten Einschlafgewohnheiten und über die Hörbuchfassung meines Lieblingsbuches. Diese sei vor der Veröffentlichung des Buches entstanden, sagte er, und schrieb, nachdem wir einige Worte, Liebenswürdigkeiten und Wünsche ausgetauscht hatten: „In Komplizenschaft“ in mein Buch, worüber ich mich maߟlos freue.
Vielen Dank, Roger Willemsen!
Zur Biographie: Roger Willemsen wurde am 15. August 1955 in Bonn geboren uns studierte nach dem Abitur (1976) Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Er promovierte über die Dichtungstheorie von Robert Musil. Die Habilitationsarbeit über „Selbstmord in der Literatur“ beendete er nicht. Roger Willemsen lebt heute ledig als Autor, Essayist, Publizist und Fernsehmoderator in Hamburg.
Veröffentlichung des Portraits Roger Willemsens mit freundlicher Genehmigung des Fotografens Martin Kath, Hamburg.