Let me be your Freiheitskämpfer.

„Die Freiheit stirbt an ihrer Verteidigung“, wird der von mir sehr geschätzte Thomas Mann gerne zitiert. Und zu oft kommt mir eben jener Aphorismus in den letzten Tagen in den Kopf. Vor einer Woche noch sprachen wir davon, dass – ginge es nach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble – alsbald jeder Bürger sowohl ein biometrisches Bild, als auch seine Fingerabdrücke mit einem neuen Ausweis in eine Zentraldatei einspeichern soll. Und dank unserer schönen digitalen Datenwelt ist das alles auch ohne Probleme möglich.

Hier vereinigen sich in Tateinheit mit der archetypischen menschlichen Eigenschaft als Jäger und Sammler, virtuelle Welten, technologische Systeme und politische Kontrolleure zu einer fatalen Dreieinigkeit einer sehr konkreten Durchleuchtung. Längst kann – wer kontextuell Orwell erwähnt – in seinem Buch 1984 keine Utopie mehr erkennen. Mit einer Verspätung von 23 Jahren beobachtet uns der Große Bruder schon heute mehr denn je.

Im Namen der Freiheitssicherung wird die gesamte Gesellschaft unter einen kriminellen Generalverdacht gestellt und auf absolut unverhältnismäßige Art und Weise für einen schnellen und kaum kontrollierbaren Zugriff archiviert. Und je rigoroser die angeblichen Sicherheitsrezepte sind, desto qualvoller und effektiver wird die staatlich verordnete Strangulierung unseres im Kern freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates erfolgen.

Sicher, in dieser Epoche bedroht der internationale Terrorismus die gesamte Welt. Erst jetzt die Anschläge in Nordafrika und die täglichen Selbstmordattentate im Irak beweisen, wie unsicher letztlich das Leben jedes Einzelnen geworden ist. Die rücksichtslose und verlogene Kriegspolitik der US-Administration unter George W. Bush hat letztlich die menschenverachtenden Terrorzellen auch in Europa eher gezüchtet als beseitigt. Als Antwort auf die verbrecherischen Terroranschläge vom 11. September 2001 ist der amerikanische Bellizismus im Irak grandios gescheitert, ein zweites Vietnam steht den USA womöglich ins Haus.

Doch es gibt Kollateralwirkungen. Dazu gehört dann eben die wohlfeile Einschränkung von Bürgerrechten hierzulande mit Hinweis auf die terroristische Bedrohung. Da darf sich Osama bin Laden, wenn er denn noch lebt, ins Fäustchen lachen. Wenn das Vertrauen der Bürger gerade in den aufgeklärten westlichen Industrienationen auf dem Altar einer vorgegaukelten Sicherheitspolitik geopfert wird, gar Polizeistaatsmethoden drohen, dann hätte der imperialistisch-terroristische Islamismus schneller mehr erreicht, als erwartet.

Mich erinnert das Ganze an den deutschen Herbst des Terrorjahres 1977 und an die kruden Ziele der durchgeknallten Kleinbürger Baader/Meinhof. Die von ihnen gegründete Rote Armee Fraktion wollte ja nichts anderes, als den Staat aus der Reserve locken, um dann gegen einen entstehenden Polizeistaat gemeinsam mit den Bürgern zu Felde ziehen zu können. Diesen Wahnwitz der RAF kommentierte seinerzeit Heinrich Böll mit der gleichermaßen ironischen wie treffenden Formel: „Sechs gegen sechzig Millionen“.

Nicht zuletzt das verantwortungsbewusste Augenmaß damaliger Politiker – mit angemessenen restriktiven Reaktionen – hat zum Scheitern der Terrorbedrohung durch die RAF und ihrer Nachfolger geführt. Selbstverständlich lief auch damals nicht alles ohne öffentliche Hysterie und lokale Überreaktionen ab, doch die Grundfreiheiten der Gesellschaft waren nie bedroht.

Diesmal hingegen ist politische Gefahr im Verzug. Allein die umstrittene Anti-Terrordatei hat bis zum heutigen Tag sowohl bei Bürgern als auch bei Datenschützern ein großes Unbehagen hinterlassen. Und in der Tat ist dadurch die Schwelle zu einer unbefugten Ausforschung unter dem Deckmantel einer koordinierten Rasterfahndung der Sicherheitsbehörden erheblich abgesenkt worden. Verfassungsschutz, Polizei, Geheimdienste und andere Sicherheitsinstitutionen haben praktisch uneingeschränkten Durchgriff auf die gespeicherten Daten von Straftätern und Verdächtigen.

Insofern das Ganze jetzt noch auf jeden Bürger dieses Landes erweitert würde, dann in der Tat, sind wir eine codierte Kommunität, eine abgestempelte Gesellschaft. Es wäre die verfügte Preisgabe jeglicher Intimsphäre, womit die Grundrechte wie Schutz der Menschenwürde oder das Recht auf Unverletzlichkeit der Person, nicht nur des Körpers, zur Disposition stünden. Von der Meinungs- und Religionsfreiheit ganz zu schweigen.

Deshalb muss den staatlichen Durch- und Beleuchtern Einhalt geboten werden! Ein Staat, der offensichtlich kein Grundvertrauen zu seinen Bürgern und deren Freiheitsansprüchen hat, verspielt den selbstverständlichen Vertrauensanspruch, der sich nicht nur im Gewalt- und Gesetzgebungsmonopol manifestiert.

Unterdessen wurde im Laufe des gestrigen Mittwochs (18.4.2007) bekannt, dass Wolfgang Schäuble die Unschuldsvermutung – unbestritten eine der absoluten Grundfesten unseres Rechtsstaates – für Terroristen nicht gelten lassen will. Dem Magazin Stern sagte er: „Die Unschuldsvermutung heißt im Kern, dass wir lieber zehn Schuldige nicht bestrafen als einen Unschuldigen zu bestrafen. Der Grundsatz kann nicht für die Gefahrenabwehr gelten. Wäre es richtig zu sagen: Lieber lasse ich zehn Anschläge passieren, als dass ich jemanden, der vielleicht keinen Anschlag begehen will, daran zu hindern versuche? Nach meiner Auffassung wäre das falsch„. Zu recht gab es diesbezüglich Protest aus alles Parteien.

Ein Wort des amerikanischen Staatsmannes Benjamin Franklin gilt bis zum heutigen Tag: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“

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